Wir verbinden das Lesen von Romanen intuitiv mit dem Gebrauch der Vorstellungskraft. Diese Intuition wurde in Waltons einflussreichem Werk Mimesis As Make-Belief (1990) theoretisch ausgearbeitet. Demnach fordern uns fiktionale Texte dazu auf, uns das Dargestellte vorzustellen, während nicht-fiktionale Texte darauf zielen, uns von ihrem Inhalt zu überzeugen. Der Vortrag entwickelt eine alternative Erklärung dieser Intuition: Die Lektüre sowohl fiktionaler als auch nicht-fiktionaler literarischer Texte lädt uns gleichermassen dazu ein, unsere Vorstellungskraft auf kreative Weise einzusetzen. An einigen Beispielen wird gezeigt, worin der kreative Charakter literarischen Lesens besteht.
Julia Langkau ist Assistenzprofessorin an der Universität Genf. Sie hat in Zürich Philosophie, Psychologie und Linguistik studiert und war an den Universitäten St Andrews, Konstanz, Fribourg, Miami und Flensburg tätig. Ihre derzeitigen Forschungsinteressen liegen in der Philosophie des Geistes, der Philosophie der Fiktion und der Philosophie der Kreativität. Sie leitet ein vom SNSF gefördertes Projekt mit dem Titel «Creativity, Imagination and Tradition».
In Zusammenarbeit mit dem Département de langue et littérature allemandes der Universität Genf.